Einführung
Für viele Studierende sind mündliche Prüfungen mit massiven Versagensängsten verbunden. Geht es Ihnen auch so, dass Ihnen die Vorstellung, den wissenschaftlichen Autoritäten eine halbe Stunde oder länger ganz alleine gegenüber zu sitzen und das eigene Wissen darbieten zu müssen, Schrecken bereitet? Sehen Sie sich der Prüfungssituation gegenüber ohnmächtig und ausgeliefert und haben Sie den Eindruck, Sie könnten auf den Verlauf der Prüfung keinen Einfluss nehmen? Angst vor Bewertung eskaliert bei einigen Studierenden so stark, dass das eigene Wissen nicht mehr zuverlässig abgerufen werden kann. Andere Studierende sind dadurch blockiert, dass sie alles das, was sie in die Prüfung einbringen könnten, für banal halten, weil sie davon ausgehen, dass die Prüfer das ja sowieso wissen.
Es gibt natürlich noch viele weitere persönliche Hintergründe und Erfahrungen, die dazu führen, dass Studierende sich gerade mit mündlichen Prüfungen sehr schwer tun. Diese können hier nicht im Detail beleuchtet werden, aber wir wollen Ihnen auf diesen Seiten einige grundlegende Hinweise geben, wie Sie sich sinnvoll und aktiv auf das Prüfungsgeschehen vorbereiten und auch die Prüfungssituation selbst aktiv mitgestalten können.
Den kompletten Leitfaden können Sie sich auch hier als PDF ( pdf Leitfaden Mündliche Prüfungen (744 KB) ) herunterladen.
Erste Schritte
Damit man sich in der Prüfung möglichst sicher fühlen kann, ist eine sinnvolle Prüfungsvorbereitung unerlässlich. Dazu gehört zunächst einmal, dass man sich einen Überblick über den zu behandelnden Stoff verschafft und mit den Prüfern rechtzeitig klare Absprachen darüber trifft, welche Themengebiete und welche Literatur Grundlagen der Prüfung sein werden. Wer diese Klärungen meidet, lernt ineffektiv und bringt sich unnötig in Schwierigkeiten. Wenn der zu lernende Stoff definiert ist, muss er in Beziehung gebracht werden zu der für die Vorbereitung verfügbaren Zeit. Selbstverständlich sollten Sie frühzeitig und kontinuierlich an das Lernen herangehen und einen Zeitplan erstellen, bis zu welchen Eckpunkten welche Inhalte bearbeitet sein müssen. Dabei sollten Sie berücksichtigen, dass pro Tag in der Regel niemand mehr als fünf bis sechs Stunden konzentrierten Lernens durchhält (natürlich von regelmäßigen Pausen unterbrochen). Auch ist das kontinuierliche tägliche Lernen über einen längeren Zeitraum sicherer und effektiver als das hektische Sich-Einprägen des Lernstoffs in letzter Minute.
Gefragt ist detektivischer Ehrgeiz
Gleichwohl werden Sie jedoch auch bei bester Planung die Gesamtheit des zugrunde gelegten Stoffes niemals bis in jedes Detail bearbeiten können. Mit anderen Worten: Ein wesentlicher Teil der Prüfungsvorbereitung wird sein, dass Sie sich trauen, die wirklich wichtigen Inhalte herauszufiltern, und dass Sie auf der anderen Seite auch die eine oder andere Lücke akzeptieren. Neben den Aussagen der Prüfer können Ihnen dabei auch die Informationen von Absolventen vorangegangener Prüfungsdurchgänge sehr nützlich sein. Entsprechende Kontakte können Sie am besten über die studentischen Fachschaften herstellen. Verwenden Sie also einigen detektivischen Ehrgeiz dafür, in Erfahrung zu bringen, welche Themen und Schwerpunkte in den bisherigen Prüfungen abgefragt wurden. Zugleich können Sie aus Gesprächen mit Ihren Vorgängern auch wichtige Eindrücke davon erhalten, in welcher Weise die Prüfer die Situation gestalten: ob Sie viel Zeit zum Erzählen haben werden, ob Sie einem Stakkato von Fragen ausgesetzt sein werden, ob die Prüfer gewisse Punkte in die Tiefe verfolgen, oder aber ob sie von Wissensgebiet zu Wissensgebiet wechseln und diese jeweils nur kurz anreißen werden. Alles dies sind wichtige Hinweise, mit denen Sie eine konkrete Vorstellung entwickeln können, worauf Sie sich bei der Prüfung einstellen müssen.
Arbeitsgruppen verabreden
Wenn Sie die Möglichkeit haben, mit Kommiliton*innen eine Arbeitsgruppe zur gemeinsamen Prüfungsvorbereitung zu gründen, so verschaffen Sie sich damit eine Reihe von Vorteilen:
- Eingebunden in ein Netz von Verpflichtungen und Verabredungen werden Sie weniger Probleme mit der eigenen Arbeitsdisziplin haben
- Arbeitsteiliges Vorgehen entlastet die einzelnen Gruppenmitglieder
- Bei schwierigen Inhalten ist die Gruppe klüger als der Einzelne
- Sie spüren, dass die anderen „auch nur mit Wasser kochen“
- und entwickeln keine unrealistischen Ansprüche an sich selbst
- Sie haben ideale Partner für Prüfungssimulationen (s.u.)
- Sie bekommen Rückmeldung über den Stand Ihrer Vorbereitungen
Natürlich kann auch die Gruppe selbst zur Ablenkung werden. Deshalb empfiehlt es sich, dass jeweils ein Gruppenmitglied als Moderator fungiert und darauf achtet, dass tatsächlich gearbeitet wird, Pausen eingehalten werden und alle Themen, die man sich vorgenommen hat, in der zur Verfügung stehenden Zeit berücksichtigt werden.
Lernen durch Reproduktion
Nachdem Sie sich einen groben Überblick über Stoff, Zeitplan und Eigenarten der Prüfer verschafft haben, können Sie an die konkrete Prüfungsvorbereitung herangehen. Hierzu ist es wichtig, dass Sie sich bei der Erarbeitung des Stoffes an die Grundregel halten: „Das Buch muss mehr geschlossen als geöffnet sein“. Hiermit ist gemeint, dass auf eine Phase, in der Sie Stoff aufnehmen, sofort eine weitere Phase folgen sollte, in der Sie bei geschlossenem Buch das gerade Aufgenommene rekapitulieren. Um sich Wissensstoff für eine Prüfung anzueignen, reicht es nämlich nicht, das Wissen nur passiv in sich einsickern zu lassen, sondern es ist unumgänglich, dass Sie dieses Wissen durch aktives eigenes Handeln in Ihr Langzeitgedächtnis überführen. Es hat sich als sehr sinnvoll erwiesen, dass Sie für den wirklich relevanten Stoff kleine Wissenskärtchen anlegen, auf denen wichtige Stichworte aus einem umschriebenen Wissensgebiet notiert werden. Auf der Rückseite dieser Kärtchen notieren Sie Fragen zum Stoff.
Indem Sie sich immer wieder mit den Fragen auf den Kärtchen beschäftigen, schlagen Sie gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe: Zum einen haben Sie eine Lernkontrolle, denn wenn Sie das, was Sie gelernt haben, in eigenen Worten sinnvoll reproduzieren sollen, dann werden Sie feststellen, wo noch Lücken sind oder Sie etwas nicht ganz genau verstanden haben. Zum anderen hinterlässt das, was Sie selbst aktiv formuliert haben, wesentlich tiefere Gedächtnisspuren, als etwas, das Sie nur passiv aufgenommen haben, so dass Sie hiermit Ihren Lernprozess auf sehr sinnvolle Weise voranbringen.
Routine für die Prüfungssituation herstellen
Neben der Unterstützung des Lernprozesses helfen Ihnen die kleinen spontanen Vorträge zu einem Stichwort oder einer Frage, die auf Ihren Kärtchen notiert sind, sich an das heranzutasten, was auch in der Prüfung von Ihnen verlangt wird, nämlich dass Sie spontan wissenschaftliche Inhalte formulieren können müssen. Wir erleben in der Beratung immer wieder Studierende, die im Vorfeld einer Prüfung engagiert gelernt haben, aber die ihr gesamtes Wissen bis zum Prüfungstag lediglich im Kopf hin und her gewälzt haben. Für sie ist es dann eine völlig unvertraute Situation, wenn sie in der Prüfung zum ersten Mal damit konfrontiert sind, dass sie wissenschaftliche Sachverhalte in eigene, gesprochene Worte fassen und an ein Gegenüber kommunizieren müssen. Diese Kandidaten haben zwar mit großem Aufwand gelernt, sie haben aber die Hälfte der Vorbereitung versäumt. Denn neben der Sicherheit im Stoff ist wesentliche Vorraussetzung für eine gute Prüfung, dass Sie sich im Vorfeld auch mit dem beschäftigen, was auf der sozialen Ebene von Ihnen verlangt wird: Dass Sie nämlich mit anderen Personen in wissenschaftliche Erörterungen treten werden, dass Sie spontan auf Fragen und Einwendungen reagieren müssen und dass Sie gefordert sein werden, von bestimmten Stichworten ausgehend Sachverhalte zu entwickeln, Verbindungen zu anderen Wissensgebieten zu knüpfen und Einordnungen vorzunehmen.
Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Sie vom ersten Tag Ihrer Vorbereitung an kleine mündliche Vorträge einüben. Es reicht dabei nicht aus, etwas im Geist zu formulieren, sondern es kommt darauf an, wirklich zu sprechen. Suchen Sie immer wieder Gelegenheiten, Formulierungen und Gedankengänge zu Ihrem Wissensgebiet aus dem Stegreif zu entwickeln, und nutzen Sie hierbei die Möglichkeit, vor einem Spiegel oder - sofern verfügbar - auch mit Hilfe einer Videokamera zu kontrollieren, wie Sie Ihre Aussagen wirkungsvoll gestisch und mimisch unterstützen können.
Die Lernkartei
Damit sich Gelerntes festigt und auch unter dem Stress einer Prüfung abrufbar bleibt, ist das Einüben durch Wiederholung unerlässlich. Für ein möglichst ökonomisches Vorgehen, empfiehlt es sich hierbei, mit einer Lernkartei zu arbeiten. Dafür brauchen Sie einen Karton mit 4 Fächern, in dem Sie die von Ihnen erarbeiteten Karten aufbewahren. In Fach 1 kommen alle neu geschriebenen Karten. Die Karten in diesem Fach werden täglich überprüft. Wenn Sie das auf diesen Karten komprimierte Wissen gut wiedergeben können, wandern sie in Fach 2, andernfalls verbleiben sie im Fach1 und Sie prägen sich noch einmal das ein, was Sie nicht beantworten konnten. Fach 2 wird zweimal in der Woche nach dem gleichen Prinzip bearbeitet. Richtig beantwortete Karten kommen in Fach 3, fehlerhaft beantwortete verbleiben. Dasselbe geschieht mit den Karten aus Fach 3, die einmal wöchentlich überprüft werden. Alle Karten, die in Fach 4 gelandet sind, brauchen nicht weiter bearbeitet zu werden, denn Sie können davon ausgehen, dass der Inhalt dieser Karten, den Sie dreimal fehlerfrei reproduziert haben, nunmehr sicheres Wissen geworden ist, das für Sie auch in der Prüfung zuverlässig verfügbar sein wird.
Prüfungen simulieren
Je näher es auf die Prüfung zugeht, desto mehr sollten Sie sich auch in Ihrem Übungsprozess auf das hinbewegen, was konkret in der Prüfung passiert. Dafür ist es gut, dass Sie Freunde bitten, Ihnen einmal ganz „dumme Fragen“ zu Ihrem Wissensgebiet zu stellen, damit Sie gefordert sind, für diese Laien Hintergründe und größere Zusammenhänge darzulegen. Dies ist für Sie ungemein hilfreich, um sich selbst in Ihrem Wissensgebiet zurechtzufinden. Ein weiteres gutes Vorbereitungselement ist die Simulation von Prüfungen. Bitten Sie Freunde, in die Rolle des Prüfers zu schlüpfen, und nähern Sie sich weitestgehend dem an, wie schließlich auch die reale Prüfungssituation ablaufen wird. Je mehr Sie mit dem vertraut sind, was in der Prüfung geschieht, und je mehr Routine Sie darin gewonnen haben, was dort Ihre eigene Aufgabe sein wird, um so gelassener können Sie das Ganze angehen.
Realistische Ansprüche
Wichtig für Ihre eigene Gelassenheit ist auch, dass Sie ein realistisches Bild von dem haben, was Sie in der Prüfung leisten müssen. Hierfür sollten Sie folgende Aspekt beherzigen: Auch bei noch so langer Vorbereitung wird niemand mit dem Gefühl in die Prüfung gehen, alles zu wissen und unverwundbar zu sein. Lücken zu haben, ist nicht Ihr persönlicher Fehler, sondern ist die Folge davon, dass heute zu den meisten Wissensgebieten so viele Informationen verfügbar sind, dass Sie diese niemals komplett bearbeiten oder gar lernen könnten. Wer also versucht, eigene Ängste vor der Prüfung durch Perfektion in der Vorbereitung zu bewältigen, stellt sich damit vor eine unlösbare Aufgabe.
Umgang mit Lampenfieber
Weiterhin gibt es keine Prüfungsordnung, die vorschreibt, dass ein Prüfling nicht aufgeregt sein dürfte. Dieses ist eine unvermeidbare Reaktion auf den Stress, dem Sie ausgesetzt sind, und deshalb sollte es nicht oberstes Ziel sein, dass niemand Ihnen Ihre Anspannung anmerkt. Verstehen Sie Ihr Lampenfieber als Motor, der Ihnen größtmögliche Anfangsenergie zu Verfügung stellt, und vertrauen Sie darauf, dass die Aufregung, sobald Sie selbst in der Prüfung aktiv werden, auch langsam schwinden wird. Wenn Sie von sich wissen, dass Sie vor Prüfungen sehr stark körperlich aktiviert und angespannt sind, kann es sehr hilfreich sein, Entspannungsverfahren anzuwenden oder überschüssige Energie durch sportliche Aktivität vor der Prüfung „abzufackeln“ und auf diese Weise eine etwas ruhigere Haltung zu erlangen.
Blockaden vermeiden
Niemand kann von Ihnen erwarten, dass Sie auf alle Fragen wie aus der Pistole geschossen antworten. Machen Sie sich schon beim Üben der Kurzvorträge im Vorfeld der Prüfung damit vertraut, dass es manchmal einen Moment dauert, bis das Gehirn Ideen und Formulierungen produziert. Wenn Sie nicht gleich im ersten Augenblick Einfälle haben, so gehen Sie trotzdem davon aus, dass unser Gehirn gerade dabei ist, Lösungen zu produzieren, und dass Sie sich dafür nur noch einen kleinen Moment gedulden müssen. Unterbrechen Sie auf keinen Fall diesen Prozess, indem Sie sich innerlich oder auch laut sagen –„ ich weiß nichts, mir fällt nichts ein“ – denn das ist absolut kontraproduktiv, und außerdem stimmt die Aussage auch gar nicht. Im Gegenteil: Sie haben im Vorfeld der Prüfung so viel gelernt, natürlich gibt es eine große Wahrscheinlichkeit, dass Ihnen gleich etwas einfällt. Wenn Sie jedoch sagen: „Ich habe keine Idee“, dann ist das so, als würden Sie den Arbeitsauftrag an ihr Gehirn löschen, und dementsprechend wird dann auch kein Einfall mehr kommen.
Mit Misserfolgen umgehen
Niemand kann von Ihnen verlangen, dass Sie alles wissen. Wenn Sie einmal eine Frage nicht beantworten können, dann versinken Sie nicht in Resignation und reden sich ein, dass dieses jetzt der Anfang vom Ende ist und dass die Prüfung gelaufen sei. Nutzen Sie stattdessen die nächste Chance, um Ihr Wissen zu produzieren. Die Zeit in der Prüfung ist kurz, Sie können darin sowieso nicht alles unterbringen, was Sie sich mühsam angeeignet haben. Also setzen Sie alles darauf, soviel wie möglich von Ihrem Wissen einzubringen. Trainieren Sie im Vorfeld der Prüfung, Misserfolgsmomente schnell zu überwinden, Ihre Erfolgszuversicht zu reaktivieren und sich jetzt erst recht ins Zeug zu legen.
Blackouts bewältigen
Für viele Prüflinge ist ein Blackout der größte anzunehmende Unfall, der in der Prüfung eintreten kann. Deshalb ist es wichtig, sich im Vorfeld der Prüfung aktiv damit auseinanderzusetzen, was man im Falle eines Falles tun kann, wenn das eigentlich vorhandene Wissen plötzlich nicht mehr abrufbar ist. Hierfür wie auch für andere von Ihnen befürchtete Krisensituationen sollten Sie sich einen „Notfallkoffer“ anlegen, den Sie dann symbolisch mit in die Prüfung hineinnehmen. Dieser Koffer sollte Verhaltensmöglichkeiten enthalten, die Sie sich für den Notfall zurechtgelegt und auch antrainiert haben.
Für die Blackout-Situation könnte das beispielsweise so aussehen, dass Sie ein Verhaltensprogramm entwickeln, das auf der grundlegenden Annahme basiert, dass auch für die Prüfer ein Prüfling mit Blackout nicht unbedingt die ersehnte Konstellation ist, sondern dass Sie auf Seiten der Prüfer in der Regel Kooperationsbereitschaft bei der Überwindung dieser Krise erwarten dürfen. Deshalb ist es sinnvoll, dass Sie sich vornehmen, nicht immer weiter in Schweigen zu versinken, sondern dass Sie ein Lebenszeichen von sich geben wie: „Der Zugriff auf mein Wissen ist gerade versperrt, ich glaube, ich habe im Moment einen Blackout!“ Vielleicht gelingt es Ihnen dann, sich laut denkend über einen Umweg allmählich an die Antwort heranzureden.
Überlegen Sie sich aber auch andere Alternativen, die Sie den Prüfern vorschlagen könnten zur Bewältigung dieser Situation. Beispielsweise könnten Sie darum bitten, etwas zu trinken oder sich für einen Moment Bewegung zu verschaffen. Sie könnten auch fragen, ob Sie noch einmal beim vorigen Thema einsetzen können oder zu einem ganz anderen Themengebiet wechseln dürfen, um einen neuen Einstieg zu finden. Vielleicht können die Prüfer Ihnen auch zu dem Gebiet, zu dem Ihnen gerade nichts einfällt, ein paar Stichworte geben, mit deren Hilfe Sie wieder das kurzzeitig verschüttete eigene Wissen aktivieren können. Sie sehen, es gibt zahlreiche Möglichkeiten, aus der Klemme zu kommen. Wichtig ist, dass Sie sich mit diesen Möglichkeiten im Vorfeld der Prüfung vertraut machen. Je besser Sie Notfallmaßnahmen trainiert haben, umso gelassener gehen Sie in die Prüfung und reduzieren damit ganz erheblich das Risiko, dass ein Notfall tatsächlich eintritt.
Mentales Training für die richtige innere Einstellung zur Prüfung
Die richtige mentale Einstellung auf das Prüfungsgeschehen ist neben der fachlichen und rhetorischen Vorbereitung der entscheidende Faktor für den Ausgang der Prüfung. Es ist wie im Leistungssport: Wer es nicht schafft, im entscheidenden Moment Motivation und Erfolgszuversicht zu aktivieren, mag zwar hervorragende Trainingsleistungen erzielen, bleibt aber dann, wenn es drauf ankommt, weit hinter seinen Möglichkeiten zurück.
Auf die Prüfung übertragen heißt das: Wer mit einer inneren Einstellung in die Prüfung geht, die ausschließlich von Furcht vor Misserfolg bestimmt ist, wird sich klein machen und ständig auf der Flucht sein. Alle Aufmerksamkeit ist darauf gerichtet, dass nur keine Unzulänglichkeiten und Wissenslücken offenbar werden. Alle Hoffnung zielt darauf, die Prüfung einfach nur über die Zeit zu retten. Schade um all die Mühe, die in die Vorbereitung investiert worden ist …
Deshalb unser Tipp: Installieren Sie in sich als Gegenpol zu Misserfolgsbefürchtungen Bilder eines erfolgreichen und selbstbewussten Auftretens in der Prüfung. Entspannen Sie sich, schließen Sie die Augen und entwickeln Sie vor Ihrem inneren Auge die Vorstellung, wie Sie mit einer positiven und von sich selbst überzeugten Einstellung und Haltung die Prüfung bewältigen. Versuchen Sie zu visualisieren, wie Sie Ihr Wissen souverän in die Prüfung einbringen, wie Sie den Kontakt zu den Prüfern halten und den Ihnen gebotenen Gestaltungsraum ausfüllen und deutlich machen: Ich bin bereit, meine Chance wahrzunehmen und alles das, was ich vorbereitet habe, hier einzubringen.
Spüren Sie in Ihrer inneren Vorstellung nach, was es für Sie bedeuten würde, eine solche positive (auch Körper-) Haltung in der Prüfung umzusetzen. Wie würden Sie den Prüfern gegenübersitzen, wenn Sie Ihre ganze Stärke einbringen? Wie würden Sie agieren, wenn Sie sich folgende Grundsätze zu eigen machen:
- Ich habe viel mehr gelernt, als sich in der vorhandenen Zeit behandeln lässt!
- Ich akzeptiere meine Lücken, aber mit meiner Aufmerksamkeit bin ich bei dem, was ich mir erarbeitet habe!
- Wenn ich etwas nicht weiß, ist das kein Grund für Rückzug, sondern Impuls, nicht aufzugeben und mich konsequent weiter bis zum Ende der verfügbaren Zeit zu engagieren!
- Ich nutze jede Möglichkeit, die mir geboten wird, mein Wissen und meine Ideen einzubringen!
Wie wird es sich anfühlen, das Prüfungszimmer erfolgreich zu verlassen mit dem sicheren Wissen, Ihr Bestes gegeben und sich nicht klein gemacht zu haben?
Auch wenn es Ihnen zunächst etwas merkwürdig erscheinen mag: Das Trainieren eines inneren Films vom kraftvollen, selbstbewussten und erfolgreichen Durchstehen der Prüfung kann außerordentlich hilfreich dabei sein, mit einer positiven und optimistischen Grundeinstellung das eigene Wissen optimal zu präsentieren. Probieren Sie’s aus! Es wird auf keinen Fall schaden!
Die Prüfer entzaubern
Schließlich noch einige Hinweise zum Umgang mit den Prüfern: Machen Sie sich mit diesen Personen vertraut und scheuen Sie sich keineswegs, ihre Sprechstunden aufzusuchen. Stellen Sie die Prüfer nicht auf einen unantastbaren Autoritätssockel, sondern machen Sie sich klar, dass Sie es durchaus mit Menschen zu tun haben, die Ihnen in der Regel wohlgesonnen sind, weil es auch für die Prüfer angenehmer ist, wenn die Prüflinge die Prüfung bestehen. Betrachten Sie die Prüfer als Personen, die Ihnen die Möglichkeit geben sollen, sich mit dem Gelernten zu präsentieren. Vermitteln Sie ihnen den Eindruck, dass Sie bereit sind, sich mit Ihrem Wissen zu zeigen, dass Sie selber Initiative übernehmen und Dinge einbringen wollen und dass Sie sich nicht während der ganzen Prüfung verstecken werden.
Nicht verunsichern lassen
Wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie von den Prüfern positive verbale, sowie auch nonverbale Signale erhalten, so lassen Sie sich davon motivieren, sich weiter engagiert einzubringen. Sollten Sie allerdings den Eindruck haben, die Prüfer seien müde, gelangweilt oder hielten das, was Sie in der Prüfung leisten, für unzureichend, so raten wir Ihnen, diese Signale völlig auszublenden und sich davon möglichst nicht irritieren zu lassen. Sie müssen bedenken, dass Sie selbst in einer höchst angespannten Situation sind und deshalb dazu neigen, übersensibel zu reagieren und bestimmte Dinge fälschlicherweise negativ zu bewerten, die mit Ihnen vielleicht gar nichts zu tun haben. Auch die Prüfer sind nur Menschen, die vielleicht nachts zu wenig geschlafen haben, in Ihrem Privatleben gerade Stress hatten oder einfach erschöpft sind, weil Sie an diesem Tag die achte Prüfung abnehmen müssen.
Wenn Sie sich aktiv auf den Stoff und die konkrete Prüfungssituation vorbereiten, wenn Sie die Prüfer nicht zu übermächtigen Autoritäten stilisieren und wenn Sie sich klar machen, dass Ihnen in einer Prüfung nichts Unmenschliches abverlangt wird, dann haben Sie gute Chancen, das Ganze erfolgreich und ohne Panikgefühle zu bewältigen.
Schließlich sei noch angemerkt, dass es sich beim Umgang mit Prüfungssituationen durchaus um einen Lern- und Entwicklungsprozess handelt. Mit jeder Prüfung sammeln Sie wertvolle Erkenntnisse, was Sie beim nächsten Mal noch besser machen können. Deshalb weichen Sie Prüfungen nicht aus, sondern nehmen Sie sie als Lernchance, um sich von Prüfung zu Prüfung souveräner und selbstbewusster zu erleben.
Weiterführende Hinweise:
- Im Online-Leitfaden des PBS "Arbeitsschwierigkeiten konstruktiv begegnen" finden Sie eine Reihe von Ideen, wie Sie Ihr Arbeitsverhalten optimieren können.
- Wenn Sie individuelle Beratung wünschen oder an Workshops zur Vorbereitung auf Prüfungssituationen teilnehmen möchten, wenden Sie sich bitte direkt an den Psychologischen Beratungs-Service, Tel. 0441/798-4400
- Weitere Informationen und Hinweise bieten die folgenden Titel:
- Fehm, L./ Fydrich, T. (2013): Ratgeber Prüfungsangst: Informationen für Betroffene und Angehörige. Hogrefe Verlag: Göttingen.
- Klenke, K. (2012): Studieren kann man lernen. Mit weniger Mühe zu mehr Erfolg. Springer: Heidelberg.
- Koch, G. (2015): Studieren mit Köpfchen. UTB: Paderborn.
- Meister, N. (2015): Die mündliche Prüfung meistern. UTB: Paderborn.
- Metzig, W. (2009): Prüfungsangst und Lampenfieber – Bewertungssituationen vorbereiten und meistern. Springer: Heidelberg.
- Starke-Wuschko, J. (2014): Präsentieren im Studium. UTB: Stuttgart.
- Wolf, D./ Merkle, R. (2011): So überwinden Sie Prüfungsängste: Psychologische Strategien zur optimalen Vorbereitung und Bewältigung von Prüfungen. Pal Verlag: Mannheim.